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Aus einem Beitrag der Süddeutschen Zeitung
Folter statt Erziehungsheim
In Argentinien haben Polizisten einen Sport daraus gemacht, jugendliche U-Häftlinge zu misshandeln – und auch zu töten

Von Eva Karnofsky – Süddeutsche Zeitung

Buenos Aires – Die Polizisten haben sich immer wieder einen Spaß daraus gemacht, Chlorbleiche auf den Fußboden der Zellen zu schütten und ihre Gefangenen die beißenden Dämpfe einatmen zu lassen. Dann befahlen sie ihnen, sich auszuziehen. Nackt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, mussten die Häftlinge bis zur völligen Erschöpfung Beuge-Übungen machen. Schließlich wurden sie gezwungen, vor den Augen der Polizisten in eine Flasche zu urinieren. An anderen Tagen wurde den Gefangenen jeder Gang zur Toilette verwehrt. Keiner der Häftlinge war älter als 17 Jahre.

 Dann fasste einer der Jungen Mut und zeigte die Misshandlungen an, denen die Häftlinge im Untersuchungsgefängnis des ersten Kommissariats der argentinischen Stadt Quilmes ausgesetzt waren. Daraufhin wurde es noch schlimmer: Die Polizisten stürzten sich zu sechst in die Zellen und verprügelten ihre jugendlichen Gefangenen. Später befahlen sie ihnen, sich gegenseitig zu schlagen. Sie ließen die Jungen nackt an ihnen vorbeirennen und schlugen ihnen mit Stöcken aufs Hinterteil. Sie nahmen ihnen die Spielkarten ab und beraubten sie so ihrer einzigen Beschäftigung. Besuch war nun an verboten und warmes Wasser gab es keines mehr.

 Die Zustände auf dem Kommissariat in Quilmes sind keine Ausnahme in der Provinz Buenos Aires: Im letzten Jahr wurden mehr als 1000 jugendliche Untersuchungsgefangene von Polizisten gefoltert, 60 Minderjährige fanden im Polizeigewahrsam den Tod. Dies geht aus einem Bericht des Obersten Gerichtshofs der Provinz hervor.

Es hatte in den letzten Jahren mehrmals Beschwerden über die Misshandlung Gefangener durch die Provinz-Polizei gegeben, schließlich veranlassten sie die Richter, genauer hinzusehen. Die Untersuchung der neun Richter ergaben, dass die Mehrzahl der Ermordeten wohl sterben musste, weil sie Folterspuren aufwiesen, die die Polizisten vertuschen wollten.

So fingierten sie Schießereien, bei denen die Gefangenen erschossen wurden. Unter den Opfern sind dem Bericht zufolge etliche Jungen, die sich über Misshandlungen beschwert hatten. Auf manchem Kommissariat der Provinz finden Foltermethoden Anwendung, die die Argentinier von der Militärdiktatur 1976 bis 1983 kennen: Schläge zählen dazu, Elektroschocks oder die Verweigerung ärztlicher Behandlung.

Im vergangenen Jahr wurden in der Provinz Buenos Aires, mit gut 14 Millionen Einwohnern größte des Landes, 34100 Menschen festgenommen, darunter 7100 Minderjährige. Laut Gesetz müssten die Jugendlichen in Erziehungsheime kommen. Doch in der Provinz stehen nur sechs Heime zur Verfügung, die völlig überfüllt sind. So werden die straffälligen Jungen bis zum Prozess in Zellen der Kommissariate untergebracht – die auch aus allen Nähten platzen.

Ramon Vernon, Minister für Innere Sicherheit der Provinz und selbst Polizist, tat den Bericht des Obersten Gerichts damit ab, es sei ein Sport   unter den minderjährigen Gefangenen, Folterungen zu denunzieren. Zu den Morden meinte er, es würden auch genügend Polizisten von Jugendlichen getötet.

Zwar hatte der Gouverneur der Provinz erklärt, man müsse allen Gaunern eine Kugel verpassen, doch die Äußerungen des Ministers gingen ihm zu weit. Vernon   wurde am Freitag entlassen und durch den Zivilisten Juan Jose Alvarez ersetzt. Der bekannte gleich, die Polizei der Provinz flöße nur wenig Vertrauen ein.

Er versprach, die Männer in der schwarz-blauen Uniform zur Achtung der Gesetze zu zwingen – und dafür zu sorgen, dass sie weniger schnell den Finger am Abzug haben.